Reisebericht 28
Alles ist nun anders, nichts ist mehr so einfach wie am Mittelmeer
Schon Tage zuvor mache ich mir echt Sorgen wie wir nun am Atlantik zurechtkommen sollen. Wir verlassen Tarifa und unser erster Tag am Atlantik ist absolut ruhig. Fast spiegelglatt liegt er vor uns. Ja, auch solche Tage gibt es. All die Horrorgeschichten der Segler, die immer nur Negativgeschichten erzählen, sind vergessen. Ich bin nun etwas beruhigter, meine Angst legt sich. Doch schon am folgenden Tag zeigt der Atlantik ein anderes Gesicht. Wir müssen nun lernen, mit Ebbe und Flut zurechtzukommen. Dazu kommen die Strömungen und die riesigen Brandungen am Strand. Wo wir am Mittelmeer einfach unser Zelt 5 m neben dem Meer aufstellten, müssen wir nun beachten, ob wir bei Wasserhochstand oder bei Niedrigwasser an Land gehen. Unser Zelt, Schlafsäcke, Kocher usw. schleppen wir dann mindestens 30 m den Strand rauf, damit - wenn in der Nacht die Flut kommt - wir nicht weggeschwemmt werden. Ebenso unsere Boote. Das ist eine Schlepperei ohne Ende. Aber uns bleibt nichts anderes übrig. Der Gezeitenkalender zeigt uns genau an, wann Ebbe und Flut ist. So ist es für uns immer am Besten, wenn wir bei Ebbe weitergehen, dann haben wir die Strömung mit uns. Ebbe und Flut verändern sich täglich und auch der Hub des Wasserstands. Alles ist größer am Atlantik, die Wellen, die Strände, die Fische und die Muscheln. Wir kämpfen uns von Hafen zu Hafen, leider sind die Häfen oft zu weit von einander entfernt, um sie in einem Tag zu erreichen und gehen dann immer am Strand raus. In den Häfen gibt es Schwimmstege, also kein Problem mit Ebbe und Flut.
Von Barbate geht es weiter zum Kap Trafalgar, weiter nach Conil, nach Sancti Petri über den Kanal in die Bucht von Cadiz, nach Puerto Real, weiter nach Puerto Sherry, nach Rota und von da kämpfen wir uns 22 km weiter nach Chipiona. Für diesen Weg brauchten wir 7 Stunden. Nach 2 Stunden bekommen wir Gegenwind, nach weiteren 2 Stunden auch noch Gegenströmung. Sehen aber schon den größten Leuchtturm von Spanien vor uns: Chipiona!
Nur 2 km vor der Hafeneinfahrt wird es noch ganz schön gefährlich für uns. An dem Kap beim Leuchtturm sind lauter Riffe, wir sehen sie aber nicht - nur die Brecher vom Meer. Wollen aber auf dem kürzesten Weg in den Hafen und geraten so in die Falle. Die Riffe sind wie Vierecke und über das erste kommen wir mit einer Welle locker darüber. Doch nun sind wir gefangen auf allen vier Seiten sind Riffe. Noch dazu ablaufendes Wasser! Und so versuchen wir mit einer Welle wieder rauszukommen. Warten auf eine große Welle, die uns darüber tragen soll. Fast hötte ich es geschafft, bin aber zu schwach, es bei der ersten Welle zu schaffen. Ich sitze voll auf. Die nächste Welle ist in Anmarsch und ich bin frei. Meine Freude dauert nur wenige Minuten, denn dann bricht eine Welle mit voller Kraft über meinem Boot zusammen und ich bin total nass. Im Boot steht 10 cm Wasser. Das alles 2 km vor dem sicheren Hafen. Ich schimpfe, bin wütend und will nur noch in den Hafen! An einem Schwimmsteg packe ich alles aus, schöpfe das Wasser raus und lasse alles trocknen. Bin fix und fertig! Rainer hat alles gut überstanden - nicht einen Brecher hat er abbekommen, da er rechtzeitig mit dem Boot abdrehte! Ich war mal wieder zu langsam! Bekommen vom Hafenmeister keine Gastfreundschaft, das heißt: für die Boote ist immer Platz, aber das Zelt aufstellen ist verboten! Wissen nun nicht wo wir schlafen sollen! Was für ein Tag - ein Tag um sich ins nächste Flugzeug zu setzen und nichts wie heim! Doch wie so oft, erfahren wie nach negativen Erlebnissen was ganz Tolles und Gutes. Wir dürfen auf dem Boot China Moon von dem Kanadier John und seiner chinesischen Freundin Aukua und deren Tochter Juliana (9) wohnen .